Diesen Ausspruch haben wir während unserem Besuch in Mértola/Portugal sehr oft gehört. Aber was bedeutet das und wie kann in einem Gebiet, indem im Sommer mit nur durchschnittlich 1,3 Regentagen zu rechnen ist, Landwirtschaft betrieben werden?
Eine gute Methode, um in klimatisch herausfordernde Regionen, wie z.B. in Mértola im Südwesten Portugals, Landwirtschaft zu betreiben, ist die Sintropic Anbaumethode, da sie ohne Wasser funktioniert. Um sich selbst wieder mit Gemüse und Obst zu versorgen, Weideflächen für Tiere aufzubauen und eine Zukunftsperspektive zu schaffen, sind die Landwirt*innen vor Ort bei ihrer Recherche auf die Anbaumethode von Ernst Götsch gestoßen. Ernst Götsch, Schweizer Forscher, Landwirt und Agroforstspezialist bewirtschaftet seit den 80er Jahren die 480 ha große Fazenda Olhos D’Água im brasilianischem Bundesstaat Bahia. Diese ehemals heruntergewirtschaftete und trockene Fläche ist gegenwärtig eine der fruchtbarsten Landwirtschaften weit und breit. Selbst in trockenen Jahren können stabile Ernten eingefahren werden.
Was genau ist syntropische Landwirtschaft?
Syntropische Landwirtschaft stellt ein sehr intensives Anbaukonzept dar, welches sich die Natur als Vorbild für den Anbau nimmt. Böden bleiben daher grundsätzlich bedeckt und im besten Fall bewurzelt. Dieser Bodenschutz beugt Erosion vor, hält die Feuchtigkeit im Boden, belebt die Bodenaktivität, führt kontinuierlich Nährstoffe dem Boden wieder zu, unterdrückt Unkräuter, verbessert die Bodenstruktur und die Aufnahmefähigkeit von Wasser. Beim Betrachten von Flächen, die so bearbeitet werden, ist vorwiegend Wald zu sehen – denn letztendlich sind syntropisch angelegte Flächen Waldgärten, die die Landwirtschaft mit der Forstwirtschaft verbinden. Zentral für dieses System sind Bäume und das Prinzip der Pflanzensukzession. In der Natur wird jede Brachfläche zuerst von Pionierpflanzen besiedelt. Diese ermöglichen die sukzessive Etablierung anderer, anspruchsvoller Pflanzengemeinschaften. Dieser Prozess zieht sich fort bis sich der Wald etabliert hat. Erfahrungen zeigen, dass das Land am „produktivsten“ in einem halboffenen Waldsystem wirken kann. Die oberen Baumkronen lassen noch genügend Licht auf alle “Etagen” des Waldes fallen, in denen zusätzlich geerntet werden kann. Z.B. Gemüse oder Getreide am Boden, Beeren an mehrjährigen Stauden, Obst und ganze Bäume zur Weiterverarbeitung. Dabei wirkt sich die Ernte positiv auf die Regeneration des Öko- systems aus.
Ein Beispiel: Radieschen und Salate werden zusammen mit Kohl und Auberginen, Ingwer, Bananenstauden, Papayas, Orangen und Kakao angebaut. Die Pflanzen werden gleichzeitig gepflanzt und ziehen sich „gemeinsam“ groß. Sobald eine Kultur reif ist, wird geerntet. Die Ernterückstände bleiben als Mulch und Dünger im Beet. Die Bäume werden regelmäßig geästet. Die verbleibenden Pflanzen im Beet bekommen so sukzessive mehr Licht und Platz zum Wachsen.
Über das Wurzelsystem werden nach jeder Ernte oder nach jeder Baumpflege Impulse ausgelöst, die zur Verjüngung des Systems und zur Steigerung des Wachstums der Folgegesellschaften führen.
Welche Rolle haben dabei die Bäume?
Bäume und mehrjährige Pflanzen sind für den Wasserhaushalt enorm wichtig. Sie fungieren als Windschutz und mindern flächendeckend die Wasserverdunstung. Gleichzeitig können sie Wasser aus tieferen Bodenschichten ziehen und sind damit resi- lienter gegenüber Trockenheit. Zudem erhöhen sie die Luftfeuchtigkeit durch Was- serverdunstung über ihre Blattmasse.
Deshalb wird bei der Sintropic Anbaumethode oftmals vom “Wasser pflanzen” gesprochen. Es wird so angebaut, dass der Wasserkreislauf nach und nach wiederaufgebaut wird.
Dieses System ist kein organisch entstandener Wald, sondern ein genau geplantes System, das die vorhandenen Gegebenheiten optimal mit der wirtschaftlichen Nutzung zu vereinbaren versucht. Ziel dabei ist es ein ausgewogenes Ökosystem zu schaffen und dennoch wirtschaftlich zu arbeiten. Das Prinzip der syntropischen Landwirtschaft ist auf verschiedenste Ökosysteme anwendbar – erfordert jedoch ein tiefes Verständnis für die komplexen Vorgehensweisen der Natur und genaue Kenntnisse über die individuellen Gegebenheiten von Boden und Pflanzen. Zudem verlangt sie einen hohen Arbeitseinsatz, Investitionen sowie kaum Fehler.
Ein gutes Video zur Anbaumethode findet Ihr hier.
Wie vor einigen Tagen berichtet, haben Daniel Überall, und unsere Auszubildende Sophie, Mértola im Rahmen einer Regionalkonferenz besucht und Projektinitiativen vor Ort kennen gelernt. Nachzulesen unter www.kartoffelkombinat.de/mertola.
António, ein Gärtner vor Ort, gestaltet mit der syntropischen Anbauweise derzeit bereits seine zweite Saison. So konnte er auch im letzten Jahr ohne Bewässerung anbauen. Ernst Götsch war schon zweimal in der Region, um beratend mitzuwirken. Derzeit (es ist gerade noch „Regenzeit“) werden Mischkulturen zwischen bereits bestehenden Olivenbäumen gepflanzt, Gräser zwischen Gemüse und trockenheitsresistente Nutzpflanzen recherchiert. Wir sind gespannt wie es in Mértola weitergeht und werden Euch weiter auf dem Laufenden halten.
Ein paar Bilder und Eindrücke der Anbaumethode, des dortigen Gartenprojekts und der trockenen Landschaft im südwestlichen Portugal haben wir Euch im Folgenden zusammengestellt.
Seit September leben wir auf einer Quinta bei Ourique. Die 2 ha grosse Fläche war zum grossen Teil Macchia, der Rest ein von einem Engländer angelegter Garten mit Kies, unter dem Planen den Wuchs von Unkraut verhinderte. Zunächst haben wir einen Teil der Macchia umpflügen lassen und verschiedene Obstbäume angebaut sowie Kartoffeln, Bohnen, Erbsen und anderes Gemüse. Dabei stehen in den Gemüsefeldern auch wieder Bäume. Dann haben wir bereits einen Teil der Kiesflächen rückgebaut und sääen dort Wildblumen und Gräser. Auf einem anderen Teil der Macchia werden Steineichen und Pinien angepflanzt und es kommen die Schafe des Nachbarn drauf. Wir sind 72 und 68 Jahre alt und machen daher nur soviel wie wir können. Für gute Ratschläge sind wir immer offen. Der Garten soll naturnah werden, ohne chemische Stoffe auskommen (wir haben vom Nachbarn Pferdemist erhalten) und auch einem zukünftigen Bewohner Freude machen (wenn die Bäume dann gross sind, so in 10 oder 20 Jahren). Gerne empfangen wir Besuch nach der Coronapandemie. Viel Glück Ihnen allen.
Gruss aus dem Alentejo Margarethe & Heiri