Gute Flüchtlinge, schlechte Flüchtlinge

Heribert Prantl schrieb in der SZ: „Das Rettungsprogramm Mare Nostrum, das Italien nach der Katastrophe von Lampedusa begonnen hatte, ist beendet worden. Die EU hat sich geweigert, es zu finanzieren. Die Kosten für das Rettungsprogramm hätten denen entsprochen, die demnächst für den Gipfel der Staats-und Regierungschefs in Elmau aufgewendet werden müssen. Der dauert zwei Tage. Mit dem Geld könnte man 365 Tage Rettung organisieren. Sind das die Wertigkeiten, die in Europa gelten? Diese Union tötet; sie tötet durch Unterlassen, durch unterlassene Hilfeleistung.

Man könnte auch noch weitergehen und Vorsatz unterstellen. Die Flüchtlinge werden vorsätzlich nicht gerettet, um nämlich durch die vielen Toten weitere Menschen von der Flucht abzuhalten. Denn nachdem die Landwege nach Europa dicht gemacht wurden, bleibt letztlich nur noch der schwer kontrollierbare Seeweg.

Schuld daran, dass das Mittelmeer (seit Jahren!) zum Leichenhaus Europas wurde, sind die kriminellen Schleuserbanden. Gegen die muss hart vorgegangen werden wie es Sigmar Gabriel fordert: „Alle europäischen Polizei- und Grenzbehörden müssen mit aller verfügbaren Kraft den Kampf gegen kriminelle Schleuserbanden aufnehmen, die mit dem Elend von Menschen Geschäfte machen. Wir brauchen einen internationalen Einsatz gegen Schlepperbanden. Und wir müssen den Ländern – zurzeit vor allem Libyen – helfen, stabile Strukturen aufzubauen und mit dem Flüchtlingsstrom fertig zu werden.

Fassen wir zusammen: die Schlepper sind die Bösen und – vor allem Libyen – muss geholfen werden. Na, so schwer kann das ja nicht sein. Einfach ein paar Millionen mehr an Frontex für die Schurkenjagd und ein paar Berater für – vor allem – Libyen. Oder?

Von den unzähligen politischen Flüchtlingen abgesehen, lohnt es sich zu fragen, warum derzeit so viele Menschen auf der Flucht sind, wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht?

Vielleicht hat es damit zu tun, dass europäische Fangflotten die Küstengewässer Afrikas leer fischen und die Menschen dort dann weder Nahrung noch Arbeit haben?

Oder damit, dass wir Europäer so gerne Medaillons und Filet essen, die übrigen Teile der Hühner und Schweine dann auf den Märkten des globalen Südens zu subventionierten Dumpingpreisen verscherbeln, dort die lokalen Erzeuger keine Umsätze mehr machen, pleite gehen und verarmen?

Hat es etwas damit zu tun, dass wir als drittgrößter Waffenexporteur von den Krisen der Welt profitieren und damit saumäßig viel Geld verdienen?

Ist das eben der Preis, den jemand anderes dafür bezahlen muss, dass bei uns hier die Discounter-Bananen 1 Euro/kg kosten?

Ja, den politischen Flüchtlingen (= die guten) muss man helfen, das gebietet die Menschlichkeit – aber doch nicht den Wirtschaftsflüchtlingen (= die schlechten). Also denen, die sich zusammenbrechenden Verhältnissen und Gesellschaften gegenübersehen, zu denen wir beigetragen haben. Oder?

Ein Gedanke zu „Gute Flüchtlinge, schlechte Flüchtlinge

  1. Das beschreibt sehr gut die Situation. Ich habe mich neulich mit einer Frau aus einem Weltladen unterhalten und sie meinte, sie arbeite zu großen Teilen deswegen in diesem Weltladen, um faire Entlohnung für Arbeit aus Afrika und damit Wohlstand für dort zu unterstützen und weniger Menschen hier in Deutschland aufnehmen zu müssen, die keine Existenz mehr da unten führen können…Ich denke, es hat einen Grund, wo man her kommt und man hat vielleicht auch so etwas wie eine Aufgabe für sein Land. In dieser Menge fühlt es sich für mich schwierig an, Flüchtlinge aufzunehmen, aber es gehört wohl zu unserer Entwicklung…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert