Gerät unser gesellschaftliches Miteinander ins Wanken? Rechte Netzwerke und populistische Bewegungen arbeiten systematisch an einer Entsolidarisierung der Gesellschaft – und sie haben damit Erfolg.

Was noch vor wenigen Jahren undenkbar schien, ist heute Realität: Pride-Paraden werden aus Angst vor Übergriffen abgesagt. Menschen werden auf offener Straße bedroht, weil sie nicht in ein rückwärtsgewandtes Weltbild passen.

Die Pride-Paraden (= Christopher-Street-Day / CSD) sind eine Demonstration und Feier der Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identitäten. Sie setzt sich für Gleichberechtigung, Sichtbarkeit und Solidarität mit queeren Menschen ein. Ihren Ursprung hat sie im Stonewall-Aufstand von 1969 in New York. Neben politischen Botschaften gehören auch Musik, Tanz und bunte Symbole wie die Regenbogenflagge dazu.

Bei uns in München mag man es vielleicht noch nicht so wahrnehmen, aber der Wind scheint sich merklich zu drehen. Ein Sprecher aus dem Netzwerk „Halle gegen Rechts“ sagte vorletzte Woche: „Wer sich bei uns engagiert, macht das unter Dauerbeschuss: Verleumdung, Beleidigung und körperliche Gewalt – nicht als Ausnahme, sondern das ist unser Alltag.“
Das Infragestellen des Rechtsstaats reicht inzwischen weit in die Mitte der Gesellschaft.“ sagte erst letzte Woche ein Referent bei einer Veranstaltung in Erfurt zum Thema stabile Zivilgesellschaft.

Das ist nicht einfach nur besorgniserregend – das ist ein Alarmsignal.

Denn wenn eine bunte, offene Gesellschaft nur noch auf dem Papier existiert, wenn Angst den öffentlichen Raum bestimmt, dann steht weit mehr auf dem Spiel als einzelne Veranstaltungen oder Symbole. Dann stehen grundlegende Rechte zur Disposition: das Recht, frei zu leben, zu lieben, zu sein, wie man ist. Was dabei besonders bitter ist: Ausgerechnet diejenigen, die ohnehin am verletzlichsten sind, müssen am lautesten für ihre Sicherheit kämpfen. Und währenddessen schweigen viele, die eigentlich die Macht – und die Pflicht – hätten, sich schützend vor sie zu stellen.

Solidarität zeigt sich nicht im Rückzug, sondern in der Haltung.

Und es ist vor allem die Aufgabe der Privilegierten, sich jetzt klar zu positionieren. Wer nicht selbst betroffen ist, hat umso mehr Verantwortung, sich einzumischen. Wegsehen ist keine Option. Schweigen hilft den Falschen.

Dass die Bundestagsverwaltung keine Pride-Flagge hissen will und sich vom Christopher Street Day fernhält, ist mehr als Symbolpolitik – es ist ein gefährlicher Rückzug aus der Verantwortung. Wenn Sicherheitsbehörden ausweichen statt zu schützen, wenn Politik sich in vermeintlicher Neutralität übt, stärkt das nicht die Demokratie – es stärkt ihre Gegner.

Lasst uns Verantwortung übernehmen.

Nicht nur für Boden, Wasser, Pflanzen und Mitarbeitende, sondern auch für das gesellschaftliche Klima, in dem wir alle leben. Lasst uns hinsehen und eintreten für eine solidarische Gesellschaft. Für Offenheit. Für Vielfalt. Für ein Miteinander.

Jede*r nach seinen/ihren Möglichkeiten – im Alltag, im Bekanntenkreis, auf Social Media und in der Öffentlichkeit.

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