Streuobstwiesen sind besondere Orte. Sie gelten als Hotspots der Artenvielfalt. Diese Lebensräume genauer unter die Lupe zu nehmen, lohnt sich also! Auch im Zusammenhang mit nachhaltiger, regionaler Ernährung rücken sie verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Wir sind „drüben“ mit dem Kartoffelkombinat-Verein Teil derjenigen, die aktiv daran mitarbeiten, dass Streuobstwiesen nicht verschwinden — sondern bewirtschaftet und damit am Leben erhalten werden. Im Mammendorfer Ortsteil Egg betreuen wir seit zwei Jahren eine Streuobstwiese, die sonst verfallen würde.
Was genau ist Streuobst?
Streuobst bezeichnet eine traditionelle Form von Obstbau, bei der hochstämmige Bäume (d.h. der erste Ast beginnt auf einer Höhe von 1,6-2,2 m) locker verteilt auf Wiesen stehen — nicht in Reihen wie in Niederstammplantagen (hier erreichen die Bäume in der Regel eine Gesamthöhe von nur 2-3 Metern). Charakteristisch ist die Mischung von Obstarten (Apfel, Birne, Zwetschge, Kirsche, Mirabelle, …) und Obstsorten (in Egg trägt nahezu jeder Baum eine andere Sorte), bei älteren Beständen kommt noch die gut gemischte Altersstruktur der Bäume hinzu.
Unter den Bäumen gedeihen artenreiche Wiesen, die entweder gemäht/gemulcht oder beweidet werden — so entsteht eine Doppelnutzung: Obst aus den Bäumen („Obernutzung“) und Wiese unten („Unternutzung“). Entscheidend ist auch: Streuobst wird in der Regel ohne synthetische Pestizide und Mineraldünger bewirtschaftet.
Kurz: Eine Streuobstwiese ist ein ökologisch bewusst gepflegter Biotop- und Nutzraum — eine Mischung aus Obstgarten, Blumenwiese und Kulturlandschaft.
Das Besondere daran
Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Biotopen in Mitteleuropa: Sonnige und schattige Flecken wechseln sich ab. Auf hohen Aussichtsposten haben Vögel (z. B. Steinkauz, Wendehals, Grünspecht und Halsbandschnäpper) einen guten Überblick über weite Flächen.
Hier wachsen Gräser, Kräuter, Blüten, Blätter und Früchte. Baumstämme, Äste und Höhlen bieten sichere Wohnorte und Verstecke für den Nachwuchs. Das alles lockt zahlreiche Tiere an, die weitere Tiere anlocken, die hier auf Jagd gehen.
Kein Wunder also, dass man auf Streuobstwiesen bis zu 5.000 verschiedene Tiere, Pflanzen und Pilze finden kann!
Doch auch das Obst selbst ist besonders: In Streuobstwiesen wachsen oft alte, regionale Obstsorten — viele davon sind robust, an Klima und Boden angepasst und genetisch wertvoll. Dieser Arten- und Sortenschatz ist kulturelles und biologisches Erbe.
Erhalt der Kulturlandschaft
Streuobst wurde im April 2021 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe in Deutschland aufgenommen.
Die extensive Pflege — ohne Pestizide, mit Mähwiese statt intensiver Bearbeitung — schont Böden sowie unsere Wasserressourcen und schützt Klima und Artenvielfalt. Streuobstwiesen wirken als Landschafts- und Kulturlandschafts-Puffer zwischen intensiver Landwirtschaft und Beton-/Siedlungsstruktur.
Rückgang der Bestände
Der Maximalbestand lag um 1950 herum in Deutschland bei circa 1,5 Mio. ha Streuobst. Heute liegen wir, nach Schätzungen des NABU bei ca. 250.000 ha. Der aktuelle Streuobstbestand in Bayern wird auf unter 6 Millionen Streuobstbäume geschätzt. Das entspricht einer Fläche von ca. 70.000 ha.
In den letzten Jahrzehnten ging der Bestand an Streuobstwiesen stark zurück. Die Hauptgründe hierfür sind:
- Intensivobstbau mit Niederstämmen und hoher Maschinisierung → zwar effizienter in der Mengenproduktion und -steuerung, aber aus ökologischer Sicht bedenklich.
- Nicht standardisierbarer Pflegeaufwand und Arbeitsintensität → wirtschaftlich oft unattraktiv.
- Wechselnde Landnutzung oder klassische Versiegelung → Bauland, Monokulturen, Siedlungsdruck.
- Fehlende Pflege, fehlende Nachpflanzungen → Jungbäume bleiben aus, Bestände altern, vergreisen.
Das hat Folgen: Verlust von Lebensräumen, Rückgang von Arten und regionaler Sortenvielfalt, Entleerung der Landschaft. Mit jeder Streuobstwiese weniger verschwindet ein riesiger Schatz an Artenvielfalt und Kulturgut.
Darum: Streuobstpakt Bayern
Der Bayerische Streuobstpakt ist ein im Jahr 2021 geschaffenes verbindliches Abkommen zwischen der Bayerischen Staatsregierung, vertreten durch das Bayerische Landwirtschafts- und das Bayerische Umweltministerium, und acht engagierten Verbänden (z. B. BUND).
Ziel ist es, neben dem Erhalt des bereits stark dezimierten Streuobstbestands bis 2035 eine Million zusätzliche Streuobstbäume in Bayern zu pflanzen.
Als Teil des Streuobstpakts bieten das Landwirtschafts- und das Umweltministerium verschiedene Förder- und Beratungsangebote an, die ein breites Spektrum von wichtigen Maßnahmen und Zielen des Streuobstpaktes abdecken.
Doch nun gerät das Ganze ins Wanken, da die bayerische Regierung beim Naturschutz Einsparungen vornehmen möchte. Wie konkret diese ausfallen, scheint noch unklar. Doch genau diese Unklarheit darf es für die Beteiligten wie Baumschulen oder Obstbaumpfleger*innen nicht geben. Umweltschutz braucht Verlässlichkeit und Planbarkeit. Daher möchten wir Euch gerne diese Petition hier ans Herz legen: