Das Kartoffelkombinat goes Bantam

bantam

Bantam? Nein, Bantam hat keine kahlrasierten, orange gewandeten Anhänger, die singender- und tamburinspielender Weise in der Fußgängerzone Bücher verschenken. Bantam ist Mais. Genauer gesagt eine alte, samenfeste Süßmaissorte namens „Golden Bantam“.

Samenfest bedeutet, dass aus einem ausgesäten Samen nicht nur eine schmackhafte Köstlichkeit, sondern auch Saatgut gewonnen werden kann. Dies ist der Kreislauf, der uns Menschen seit tausenden von Jahren, seit der neolithischen Revolution, (er)nährt.

Doch wie andere, samenfeste, gentechnikfreie Pflanzenarten, ist Bantam von hybriden, genmanipulierten Pflanzensorten nahezu verdrängt worden.

Durch sein trauriges Schicksal wurde Bantam berühmt. Und so wurde er Pate für eine nachhaltige, clevere und äußerst charmante Aktion von Save our Seeds, eine Initiative der Zukunftsstiftung Landwirtschaft.

Das Prinzip ist denkbar einfach:

Saatgut kann jeder hier bestellen und sich als Anbaustandort eintragen lassen. Ein Balkon, oder eine andere kleine Freifläche reicht völlig aus. Da auch wir nun ein offizieller Anbaustandort von gentechnikfreiem Mais sind, haben wir das Recht zu erfahren, wo genmanipulierte Pflanzen angebaut werden.

Mitte/Ende April geht es los: Der Mais kann schon an einem warmen Ort, unter Glas, vorgezogen werden. Bis Ende Mai/nach dem letzten Frost kann der Mais nun an einem sonnigen Ort in Abständen von 45 cm ausgesät oder eingesetzt werden. Immer etwas feucht halten!

Im September den Süßmais in der so genannten Milchreife ernten und frisch genießen. Die frühesten und schönsten Kolben als Saatgut vom Munde absparen und abreifen lassen.

Im Oktober, wenn die Hüllblätter braun werden, die Saatgut-Kolben ernten, die Blätter zurückziehen und an einem warmen, luftigen Ort zum Trocknen aufhängen. Körner nach und nach abribbeln und weiter trocken. Sie werden dunkelgelb, glasig und schrumpelig-kantig.

Im Frühjahr 2015 kann eigenes Saatgut verteilt und ausgesät werden. Nicht vergessen, die Anbaustandorte wieder auf der Karte bei „Save our Seeds“ melden.

Warum mitmachen?

Für den einen von uns ist es eine Freude, die vorhandene Pflanzenvielfalt auf Balkon und im Garten zu ergänzen. Andere, die sich bisher auf eine Topfpflanze beschränkt hatten, entdecken vielleicht eine verborgene Liebe zum Gärtnern. Wieder andere unter uns haben gar einen „schwarzen Daumen“ und empfinden den Anbau eher als zusätzliche Aufgabe/Anstrengung. Warum also trotzdem mitmachen?

Bantam ist ein Beispiel, steht sozusagen Pate für eine Gesinnung/ein Anliegen. Diese Aktion schreit nicht nur „Empört euch!“, sondern ruft zu aktivem Widerstand auf, in seiner schönsten Form. Wo vielleicht manch eine/r spontan in einen steineschmeissenden, umsichschlagenden Widerstand verfallen möchte, angesichts  der Ohnmachtsgefühle, die diverse verbraucher- und umweltfeindliche (EU-)Regelungen/Gesetze auslösen, schafft es diese Aktion, ganz nebenbei etwas Gutes zu tun, „Leben zu schenken“, Balkone und Gräten zu begrünen.

Deshalb: einfach mitmachen! Auch wenn es nur ein einsamer Tontopf auf dem Balkon ist, man weiß ja: steter Tropfen… und Kleinvieh macht ja auch …

so let’s bantam your town/village/garden!

(Vielen Dank an Mona für diesen Blogbeitrag)

Biolebensmittel kaum gesünder

„Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden …“ – Berichte, die so oder in diesem Sinne beginnen, gehen meistens in die Hose. Und genau so war das letzte Woche bei vielen Medien, die eine Studie der Stanford University aufgriffen.

SpOn Biolebensmittel kaum gesünder

SpOn „Biolebensmittel kaum gesünder“

Auf Spiegel Online beispielsweise fand sich dieses Kleinod: „Eine neue Studie weckt Zweifel am Nutzen von Biolebensmitteln: Die sind nicht nahrhafter und kaum gesünder als herkömmliche Produkte. Der Vitamingehalt unterscheidet sich kaum, auch der Anteil von Fett und Proteinen ist ähnlich.“

Wahnsinn, wenn ich das lese, kann ich gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte! Zweifel am Nutzen von Biolebensmitteln?! Die klassische Reaktion des Mainstreams lautet auf so eine Meldung dann nämlich: „Aha, ja da sieht man mal wieder, dieses überteuerte Bio taugt eben doch nix.“

Die Redakteure sind natürlich nicht doof, hoffen auf Eskalation, spekulieren auf entsprechende Reaktionen und wissen selbst am Besten, dass es sich um polemischen Scheißdreckjournalismus handelt, weshalb kurz danach eine Art Gegendarstellung nachgeschoben wird.

Hier eine unvollständige Aufzählung, warum Bio eben schon etwas taugt*:

  • Lebendige Böden sind faszinierende komplexe Gebilde und genau dort soll Gemüse wachsen und nicht auf Nährsubstraten in beheizten Gewächshäusern. Rund 250 Jahre vergehen, bis sich in unseren Breiten 1 cm Boden entwickelt hat. Der Mensch verbraucht im gleichen Zeitraum rund zehnmal soviel, wobei die Landwirtschaft dabei eine große Rolle spielt (–> mehr hierzu).
  • Das weltweit eingesetzte Saatgut wird von einer handvoll Konzernen kontrolliert, zu deren Methoden ich mich an dieser Stelle nicht äußern möchte, da dies sicher zu justiziablen Äußerungen führen würden (Videotipp bzgl. Monsanto). Als vernachlässigbar kleine Gegenbewegung zu Hybridsorten wird im Bio-Bereich verstärkt auf samenfestes Saatgut gesetzt. Im ersten Jahr sind die Hybridsorten in Farbe, Form und Größe sehr einheitlich (wenn der entsprechende Kunstdünger verwendet wird) und bringen höhere Erträge (wenn die entsprechenden Spritzmittel verwendet werden). Jedoch kann von diesen Pflanzen für die weitere Vermehrung kein brauchbares Saatgut gewonnen werden. Aus ihren Samen entwickeln sich nämlich nur uneinheitliche, schwache Pflanzen – der Landwirt muss $aison für $aison wieder Saatgut, Dünger und Spritzmittel kaufen.
  • Insektizide, Herbizide, Pestizide sind im Bio-Land- und -Gartenbau kein Thema (Stichwort: Neonicotinoide – Bienensterben durch systemische Pestizide), d.h. keine systematische Zerstörung von Leben, sondern es stellt sich ein Gleichgewicht mit Nützlingen ein. Erinnert Ihr Euch noch, wie Windschutzscheiben vor 20 Jahren ausgesehen haben, wenn man mal eine Stunde auf der Autobahn oder Landstraße gefahren ist? Die Insektenschicht musste man fast schon mit der Spachtel abkratzen. Heute klebt hier und da mal eine Mücke auf der Scheibe, mehr aber auch nicht – fragt Euch mal, warum das so ist.
  • Der Verzicht auf prophylaktischen Einsatz von Antibiotika führt dazu, dass keine Resistenzen bei Krankheitserregern entstehen (die uns in Zukunft noch sehr zusetzen werden)
  • Durch die Pflege der Böden, das vielfältige Saatgut und das Pestizidverbot wird die Artenvielfalt gestärkt. Noch nie in der Erdgeschichte (nein, auch nicht als die Dinosaurier ausstarben), gingen so schnell so viele Arten verloren, wie in den letzten 200 Jahren (–> Infografik zu Gemüse).
  • Die Bio-Landwirte und -Gärtner, die ich kenne, erhalten als absolute Überzeugungstäter unseren Lebensraum.

Soviel also zu „Zweifel am Nutzen von Bio“. Ich könnte mich ja so aufregen …

PS: Vielen Dank an die taz für das Interview mit Graefe zu Baringdorf: „Gesünder ist Bio trotzdem“ und an die SZ für den Kommentar „Und der Bio-Apfel ist doch der bessere“.

*ja, auch im Biobereich gibt es negative Effekte und immer mehr Konsenssuppe auf dem kleinensten gemeinsamen Nenner.